Die Klassen der Westschweizer Schulen sind reich an kultureller und sprachlicher Vielfalt, die für die postmigrantische Schweizer Gesellschaft repräsentativ ist, da die meisten Schülerinnen und Schüler eine Migrationsgeschichte haben. Das Projekt TRAMES – Témoignages et Récits d'Adolescent-e-s du Monde sur l'Ecole en Suisse – gibt den Jugendlichen das Wort, um sich zu diesem Thema zu äussern und auszutauschen. Das pädagogische Projekt stützt sich auf eine Reihe unterschiedlicher und zum Teil digitale Ressourcen. Die Lektüre « participe à la formation de l’individu [citoyen en devenir], dans toutes ses dimensions linguistiques, culturelles et identitaires » (Finet, 2021).

DAS BUCH

Das zentrale Objekt des Projekts ist ein illustriertes ABC-Buch*. Es enthält 27 spontane und authentische Berichte, die von mehrsprachigen Jugendlichen im Alter von 11 bis 20 Jahren verfasst und illustriert wurden. Die Autorinnen und Autoren sind in mehreren Ländern zur Schule gegangen und leben derzeit in der französischsprachigen Schweiz. Ihre Berichte sind in Französisch, ihrer Lernsprache, und in ihrer Erstsprache, d. h. in zwölf Sprachen und fünf Alphabeten, zu finden.

Die Erzählungen berichten von den Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen den Bildungssystemen, dem Schulrhythmus, den Freundschaften und dem Blick auf das Anderssein.

Jugendliche berichten über ihre Altersgenossen, die erst vor kurzem in die Schweiz gekommen sind, aber auch über ihre Altersgenossen hier, mit denen sie im Unterricht zusammenkommen, und über die Erwachsenen, die sie in der Schule empfangen.

Diese autobiografischen, manchmal selbst erstellten Berichte ermöglichen es, die Realität dieser „ausser-gewöhnlichen“ Schülerinnen und Schüler zu entdecken, deren kulturelles Kapital in der Schule oft ignoriert wird (Candelier, 2003), und der Andersartigkeit zu begegnen. TRAMES hofft, auf diese Weise die Schülerinnen und Schüler zu ermutigen, sich zu treffen, in ihren Klassen eine Verbindung herzustellen und so an einer pluralistischen Vision der sprachlichen und kulturellen Vielfalt mitzuwirken.

Erfahrungsberichte, um die Geschichte derer, die weggehen, mit der Geschichte derer, die sie aufnehmen (Le Mounier, 2023) zu verweben und das Zugehörigkeitsgefühl zu fördern.

DIE INTERAKTIVE UND PARTIZIPATIVE PLATTFORM

Die zweisprachigen Texte sind als Audio- und Videoversionen über ein System von QR-Codes verfügbar, die auf die Projektwebsite verweisen. Die pädagogische Plattform ist auch direkt unter der Rubrik ‚albecédaire‘ auf der Website www.trames.ch zugänglich. Eine Wanderausstellung begleitet das Projekt und es werden regelmäßig neue Inhalte entwickelt**, derzeit sind dies Comics, die migrantische Parcours in der Schule beschreiben.

Für Lehrerinnen und Lehrer stehen auf der Seite ‚Mitmachen‘ erste pädagogische Ansätze*** zur Verfügung. Sie stellen mehrere Schwerpunkte für den Einstieg in das Projekt vor, in den Klassen 7-8H oder 9-11H, für reguläre Klassen sowie für anderssprachige Gruppen, insbesondere in den Fächern Schulsprache Französisch mit der Kompetenzen «Sprachgebrauch untersuchen», den Geisteswissenschaften und Bildende Kunst.

Eine Besonderheit des Projekts ist die Förderung des Dialogs zwischen Leser :innen und Autor:innen durch ein Online-Kommentarsystem, aber auch durch die Offenheit der Plattform, die jedem die Möglichkeit bietet, zum Projekt beizutragen, indem neue Inhalte erstellt und veröffentlicht werden können. Dieser Vorschlag zielt auf das Empowerment junger Menschen (Hélot, 2007) ab, indem er ihre Botschaften aufwertet und ihre Stimmen unabhängig von ihrer/ihren Sprache(n) hörbar macht.

© Yann Laubscher

Lernziele: Die Lektüre der Sammlung und die Entdeckung der Inhalte* der Website zielen darauf ab, die Vielfalt der Lebenswege und Sprachen in der Schulgemeinschaft sichtbar zu machen, den Migrationssprachen in der Schule einen Platz einzuräumen und die Mehrsprachigkeit aufzuwerten, die Identifikation und das Zugehörigkeitsgefühl aller Schülerinnen und Schüler zu fördern, Gelegenheiten, um andere Perspektiven einzunehmen, den Dialog und den Ausdruck zu fördern und Stereotypen durch authentische und verkörperte Berichte von jugendlichen Gleichaltrigen zu dekonstruieren.

Neben den fachlichen Kompetenzen, der Arbeit am Schreiben und der Mündlichkeit werden auch mehrere transversale Fähigkeiten mobilisiert sowie verschiedene Elemente der Allgemeinbildung und nicht zuletzt die MI (Medien und Informatik).

Diese Ressourcen, die von Jugendlichen für Jugendliche erstellt wurden, stellen eine Gelegenheit dar, eine Pädagogik der Anerkennung und Inklusion (Rousseau, 2015) durch Lehrkräfte und Peers umzusetzen.

 

À propos

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Das Buch ist im Buchhandel und auf der Website von Trames zum Preis von 20.- erhältlich, für Klassensätze besteht beim Verlag ein Rabatt von 15%.

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Pädagogische Dossiers nach Zyklus und Fach sowie ein pädagogischer Koffer wurden an der Pädagogischen Hochschule Freiburg in Zusammenarbeit mit Education 21 entwickelt und gelangen seit Anfang 2025 in die Praxis.

Literatur

Candelier, M. (2003). L’éveil aux langues–une proposition originale pour la gestion du plurilinguisme en milieu scolaire. Contribution au Rapport mondial de l’UNESCO Construire des Sociétés du Savoir.

Finet, B. (2021). Introduction – Former le lecteur. Des enjeux pédagogiques, sociaux et politiques: Les Sciences de l’éducation – Pour l’Ère nouvelle, Vol. 53(3), 7‑12. https://doi.org/10.3917/lsdle.533.0007

Hélot, C. (2007). Du bilinguisme en famille au plurilinguisme à l’école. Harmattan.

Le Mounier, M. (2023). De l’Altera Lingua À l’Altera Imago : Pour aller vers l’autre, il faut l’imaginer. Glottopol39. https://doi.org/10.4000/glottopol.4155

Rousseau, N. (2015). La pédagogie de l’inclusion scolaire, 3e édition: Un défi ambitieux et stimulant. PUQ